Im Mittelpunkt meiner Trauerreden steht das Leben des Verstorbenen mit seinen Höhen und Tiefen, in seiner Einmaligkeit, seiner Schönheit  und seiner Bedeutsamkeit für andere.

Das Verfassen einer Trauerrede erfahre ich als einen besonderen Schaffensprozess, in dem der professionelle Umgang mit Sprache und die Gabe der Intuition sich wie in keiner anderen Form der Rede miteinander vernetzen.

Entlang der wachsenden Ringe eines Lebens, dem, was sich vollendet hat, und dem, was unvollendet geblieben ist, folge ich den Spuren, die ein Mensch hinterlassen hat.

Eine Lebensgeschichte gleicht einem Gewebe, einem unverwechselbaren Stoff, bestehend aus vielen verschiedenen Fäden, die sich zu einem ganz bestimmten Muster verwoben haben. Erinnerungen von Angehörigen verflechten sich mit biographisch bedeutsamen Ereignissen ebenso wie mit Einflüssen der Zeitgeschichte. In der Wahrnehmung all dessen nähere ich mich dem Leben an, das es zu verabschieden gilt. 

Haben Krankheit oder hohes Alter die letzten Jahre eines Menschen stark geprägt, so empfinde ich es als wesentlich, das Bewusstsein wieder für den weiten Horizont dieses Lebens zu öffnen und auch das zur Sprache zu bringen, wofür eine belastende Pflege- oder Sterbezeit vielleicht den Blick nach und nach verstellt hat.

Nicht nur die Schwere des Abschieds, sondern das Alltägliche, das Leben als gelebtes Leben, gewinnt in meinen Reden Raum. Es ist mir ein Herzensanliegen, dass der Verstorbene in seiner Einzigartigkeit noch einmal konzentriert aufscheint und als der, der er war, verabschiedet werden kann.