In Verbindung mit meinem 2016 erschienen
Roman Atemhaus, ist erstmals eine Lesung enstanden, die einen Resonanzraum zwischen Wort, Bild und Musik eröffnet. Der österreichische Komponist Josef Marschall und der aus Stuttgart stammende Künstler Stefan Noss haben sich von Stimmungen und Atmosphären des Romans inspirieren lassen und ihnen in ihrem je eigenen künstlerischen Medium Ausdruck gegeben. Wort, Bild und Klang beginnen ineinander zu schwingen, sie nehmen den Zuhörer mit hinein in ein Erleben, in dem die Wahrnehmung sich weitet und Grenzen durchlässig werden. Damit machen sie eine Grundintention des Romans unmittelbar erfahrbar. Näheres zum Inhalt des Romans findet sich unter dem Stichwort "Biographien".
Die Geschichte einer Liebe im Spiegel von Tagebuchaufzeichnungen, Briefen und biographischen Skizzen
Ich bekenne es freimütig,
ich glaube an die Wirklichkeit einer uneigennützigen Liebe.
Ich bin verloren, wenn sie nicht ist.
Ich gebe die Gottheit auf, die Unsterblichkeit und die Tugend.
Ich habe keinen Beweis für die Hoffnung mehr übrig, wenn ich aufhöre an die Liebe zu glauben. Ein Geist, der sich allein liebt, ist ein schwimmender Atom im unermesslichen leeren Raume.
Friedrich von Schiller
Es ist nicht Liebe,
wenn man sich nur ein schönes Bild von der Seele entwirft
und diesem selbst alle Vollkommenheit gibt,
sondern das ist Liebe:
die Menschen so zu lieben,
wie wir sie finden,
und haben sie Schwachstellen,
sie so aufzunehmen
mit einem Herzen von Liebe.
Charlotte von Schiller
Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten.
Hilde Domin
Eine Reise in die wundersame Welt der Nacht – in die Helle der Dunkelheit, in die Wirklichkeit des Traums, in die Produktivität der Stille. Mit geistesgeschichtlichen Orientierungen, Lesung von Gedichten, Prosa und philosophischen Fragmenten.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.
Joseph von Eichendorff
Auszüge aus dem Stundenbuch in Zusammenklang mit musikalischen Improvisationen
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.
Rainer Maria Rilke
Sie haben mir eine zweite Jugend verschafft
und mich wieder zum Dichter gemacht,
welches zu sein
ich so gut als aufgehört hatte.
Goethe an Schiller
Goethe ist jetzt bei Ihnen. Ich bin ungeduldig, ihn zu sehen. Wenige Sterbliche haben mich so interessiert. Wenn Sie mir wieder schreiben, liebster Freund, so bitte ich Sie, mir von Goethe viel zu schreiben. Sprechen Sie ihn, so sagen Sie ihm alles Schöne von meinetwegen, was sich sagen lässt. Die „Iphigenia“ hat mir wieder einen recht schönen Tag gemacht, obschon ich das Vergnügen, das sie mir gibt, mit der niederschlagenden Empfindung büßen muss, nie etwas Ähnliches hervorbringen zu können.
Schiller an Ridel
Allabendlich erzählt der Mond einem Künstler von seinen Reisen um die Welt und gewährt ihm Einblicke in verborgene, allein
von seinen Strahlen beleuchtete Szenen der Nacht.
Andersen malt in den kleinen, episodischen Märchen voller Poesie, Humor und Melancholie Nachtbilder voller Licht und Schatten.
Der Berliner Komponist und Pianist Christian Lemmer, Dozent an der Beuth Hochschule Berlin, hat die berührenden
menschlichen Momentaufnahmen in einem romantischen Zyklus für Klavier vertont. Im Dialog von Wort und Klang vertiefen und entfalten sich die Bilder und Stimmungen dieses besonderen literarischen
Kleinods. Der Klavierzyklus wurde 2009 in der Dänischen Botschaft in Berlin uraufgeführt.
Die Lesung spürt dem Wesen dieses mächtigen Gefühls nach, seinen unzähligen Verwandlungen und Gesichtern. Es entpuppt sich als zartes, kraftvolles Netz, das das Leben vom ersten bis zum letzten Atemzug trägt. Philosophische Texte, Gedichte und Prosa von der Antike bis zur Gegenwart bringen das schillernde Wesen der Liebe vor einem weiten geistesgeschichtlichen Horizont zum Aufleuchten.
Oft saß er allein im Wohnzimmer und seufzte. Mich erschreckte jedesmal, wie verwundbar er wirkte, wie verlassen. Er hatte sich verändert, sein bedrückter Gesichtsausdruck sprach nicht mehr von der Verzweiflung darüber, vergesslich zu sein, sondern von der tiefen Heimatlosigkeit eines Menschen, dem die ganze Welt fremd geworden war.
Aus: Arno Geiger, Der alte König in seinem Exil
Je weiter die Maschen in Berthas Gedächtnis wurden, desto größer die Erinnerungsbrocken, die hindurchfielen. Je verwirrter sie wurde, desto wahnwitziger die Wollstücke, die sie strickte und die durch ständiges Fallenlassen von Maschen, durch Zusammenstricken oder durch das Wiederaufnehmen neuer Maschen am Rand in alle Richtungen wuchsen und schrumpften, klafften und verfilzten und sich von überall her aufribbeln ließen.
Aus: Katharina Hagena, Der Geschmack von Apfelkernen
Ein weihnachtliches Konzert zwischen Klassik, Jazz und Gospel mit Lesungen von Gedichten und Geschichten zur Weihnachtszeit. Die Saxophonisten begeistern mit Bach-Variationen, Jazz-Standards und modernen Interpretationen klassischer Weihnachtslieder. Geschichten von Selma Lagerlöf, Gedichte von Rainer Maria Rilke und Hilde Domin stimmen literarisch in die Advents- und Weihnachtszeit ein.
Eine Reise in die Klangwelten klassisch-orientalischer Musik und die Poesie des großen türkischen Mystikers Yunus Emre.
Das Lalezar-Ensemble spielt Makam-Musik, eine klassische Musikrichtung des Nahen und Mittleren Ostens, die in ihrer meditativen Schönheit feinste Bewegungen der Seele zum Ausdruck bringt. Sie ist eng verbunden mit mystischen Traditionen und eröffnet einen Klangraum, in dem die Poesie Yunus Emres sich auf wunderbare Weise entfaltet. Die Gedichte werden in türkischer und deutscher Sprache gelesen.
Eine Reise in das Innere eines besonderen Verständnisses von Welt. Mit Texten von Rumi, Rabia von Basra, Meister Eckart, Johannes Tauler, Hildegard von Bingen u.a.
Die Gesichte, die ich schaue, empfange ich nicht in traumhaften Zuständen, nicht im Schlaf oder Geistesgestörtheit, nicht mit den Augen des Körpers oder den Ohren des äußeren Menschen und nicht an abgelegenen Orten, sondern wachend, besonnen und mit klarem Geiste, mit den Augen und Ohren des inneren Menschen, an allgemein zugänglichen Orten, sowie Gott es will. Wie das geschieht, ist für den mit Fleisch umkleideten Menschen schwer zu verstehen.
Hildegard von Bingen
Die Lesung macht Leben als Grenzgang erfahrbar, der nicht erst an der Grenze des Todes zu Wandlung und Neuanfang aufruft. Dem Prozess des Loslassens wird durch Klage, Hoffnung, Vertrauen und Annahme nachgespürt. Mit Texten von Aurelius Augustin, Angelus Silesius, Rainer Maria Rilke, Hermann Hesse u.a.
Das Konzipieren literarischer Programme entsprang dem Herzenswunsch, Menschen für Literatur zu begeistern.
Ich wollte einen Schatz, den ich im Laufe der Jahre gehoben hatte, mit anderen teilen. Einen Schatz, von dem ich weiß, dass der Zugang zu ihm oftmals schwer zu finden ist.
Die Lesungen reifen in
monatelanger Recherche und Detailarbeit und kondensieren schließlich in einem Abendprogramm. Sie haben den Anspruch, literarische Welten fundiert zu erschließen und zugleich in einem
unterhaltenden Sinn erlebbar werden zu lassen. Eine spannende Gratwanderung.
Es gibt heute nur noch wenig Räume, in denen die Konzentration auf das gesprochene Wort gepflegt und geübt wird. Ich empfinde das als großen Verlust, denn Zuhören ist ein kreativer Prozess. Wer einmal Kinder beim Zuhören von Märchen beobachtet hat, wird wissen, was ich meine: Ihre Augen sind weit ins Leere gerichtet und blicken in die Bildwelten ihrer eigenen Seele.
Dieses kreative Moment im Kontakt mit fremden Gedankenwelten wünsche ich dem Hörer meiner Lesungen. Ich würde mich freuen, wenn neue Perspektiven auf das Leben entstehen. Es liegt im Wesen
unserer Zeit, dass sie dem Leben einen oft atemberaubenden Rhythmus aufzwingt. Bewusst möchte ich hier einen Kontrapunkt setzen und Räume für langsame Bewegungen öffnen. Aus diesem Grund sind
alle meine Lesungen als musikalische Lesungen konzipiert, die den Texten Räume zum Nachklingen und den Hörern Räume zum Nachempfinden öffnen.